„Tag Josef, Tag Willi, Tag Helge. “
„Tag Ewald. Was machste so?“
„War gestern angeln.“
„Anner Ruhr?“
„Nee, diesmal nicht. War am Rhein-Herne-Kanal.“
„Was haste denn gefangen?“
„Eigentlich nix, nur son paar kleine, die habe ich wieder reingeworfen.“
„Musste mal Marlins angeln. Das ist was Fettes, der größte Marlin, der gefangen wurde, hatte 411 Kilo.“
„Kann ich mir nicht leisten. Allein die Angelausrüstung dafür kostet ein Vermögen. Und hier inner Ruhr gibt es keine von diesen Marlins.“
„Die Tage habe ich im Fernsehen eine Reportage über ein Angelturnier im Golf von Kalifornien gesehen, heißt East Cape Offshore. Da war was los, kann ich euch sagen. Die haben Marlins mit weniger als 150 Kilo als zu klein wieder reingeworfen.“
„Bin ich denn der Krösus? Ich war auf Zeche Bergmann nicht der Direktor. Die in Kalifornien rufen Startgeld auf von Tausend Dollar. Der Preis für den Gewinner ist dann auch ne Million. Lasst man, ich angele an der Ruhr oder am Kanal. Gefällt mir besser.“
„Wie biste denn überhaupt zum Angeln gekommen? So viel ich weiß, hat dein Vater nicht geangelt.“
„Nee, mein Onkel Karl hat mich mal zum Angeln mitgenommen. Kann ich euch erzählen. Ich war richtig ein Naturtalent. Bin gleich mit drei Fängen super rausgekommen. Dann hab ich das mit dem Angeln weitergemacht, musste aber erst einen Angelschein machen.“
„Einen Augenblick, ich zapf erst nochmal ein paar Pils, dann will ich mal hören, was ein großer Angler wie du so erlebt.“
„Ja, der Onkel Karl war immer schon ein guter Angler. Jedes Mal hat der mir vom Angeln und den großen Fischen erzählt, die er geangelt hatte. Später hat er mir auch die Bewegungen zum Fliegenfischen gezeigt. Der ist sogar zum Fliegenfischen nach England gefahren. Da sitzen wohl die Experten.“
„Fliegenfischen, was issen das?“
„Das ist was Spezielles. Man muss mit einer sehr kleinen Angelrute hin und her wedeln. Viel Leine von der Trommel ziehen und in der freien Hand halten. Dann lospeitschen, den Köder fliegen lassen und dabei die Leine frei geben, so dass der Köder weit fliegen kann, und zwar dicht über dem Wasser, damit die Fische ihn schnappen können.“
„So viel ich weiß, werden so auch die Forellen geangelt. Gibt es die denn in der Ruhr oder im Kanal?“
„Forellen eher nicht. Wir haben hier Schleien, Brassen und Rotaugen. Die können auch ganz schön groß werden.“
„Was ist denn dein größter Fisch, den du geangelt hast?“
„Die hatten so 50 bis 60 Zentimeter. Das ist schon nicht schlecht.“
„Jetzt bin ich aber gespannt, wie du dich als Nachwuchsangler mit Onkel Karl so geschlagen hast.“
„Einmal hat er mich mitgenommen. Wir mussten zu einem privaten See fahren. Ich hatte ja noch keinen Angelschein. Das war Richtung Holland, die Autobahn nach Venlo.
Es war noch früh am Morgen. Wir sind schon um fünf Uhr losgefahren. Onkel Karl hatte alles mitgebracht, was wir zwei an Ausrüstung brauchten. Mir kam die Fahrt reichlich lang vor. Ich war ja noch jung und ziemlich aufgeregt. Dann erreichten wir ein Kassenhäuschen, wo wir 10 Mark bezahlen mussten. Dann durften wir zu dem See laufen, naja, das war eher ein großer Teich.
In dem schwachen Morgenlicht kauerten schon ein paar graue Gestalten, die hatten bereits ihre Angeln getunkt.
Mein Onkel lief um den halben See und ich konnte in der Dämmerung nur hastig hinterherstolpern. Musste ja auch das ganze Angelzeug schleppen.
‚Das ist ein guter Platz`, hat er dann endlich gesagt und wir setzten uns ans Ufer. Er hantierte mit den Geräten, machte die Köder an die Haken. ‚Hier, das ist deine Angel, nun halte die mal so genau dahin.‘ Habe ich alles brav so gemacht. Dann trat Ruhe ein, nichts passierte.“
„Na ja, aufregend ist das ja nicht mit deiner Angelei.“
„Nun wartet mal ab. Das kommt schon noch. Angler müssen Ruhe bewahren. Langsam wurde es Tag. Es kamen immer mehr Angler und setzten sich zu uns. Alles nette Leute. Wir saßen nun Schulter an Schulter um den See. Es herrschte eine angespannte Ruhe. Keiner fing was.
Plötzlich rief die ganze Anglermenge: ‚Da kommen die Fische.‘ Auf der anderen Seite, wo das Kassenhäuschen war, führte ein Slip ins Wasser. Da kam der Kassierer mit einer Schubkarre samt Blechkiste obendrauf und kippte eine Ladung Fische in den See.“
„Das ist ja ´n Knall. In dem See waren gar keine Fische?“
„Ja, so war das. Der Besitzer von dem See hatte noch eine Fischfarm. Je nachdem, wie viel er an Eintrittsgeld eingenommen hatte, hat er die passende Menge Fische in den See geschüttet.“
„Na ja, kann ich verstehen. Ist sein Geschäft.“
„Dann ging es los. Jetzt kam Bewegung in die Welt. Die frisch eingelassenen Fische bogen vom Slip rechts ab und schwammen, so wie man sehen konnte, im Gegenuhrzeigersinn am Seeufer entlang. Die Angler rissen im Stakkato eines Maschinengewehres ihre Fänge aus dem Wasser.
Als der Fischschwarm bei mir ankam, zerrte etwas an meiner Angel. `Ich glaub da ist was?`
Mein Onkel kommt in Fahrt. ‚Schnell, hol die Leine ein.‘ Ich kurbele wie wild, jetzt nur keinen Fehler machen. Jau, es ist einer dran. Dann geht alles ganz schnell. Onkel Karl legt seine Angel weg, packt meine Angel, macht den Fisch vom Haken, setzt ihn in sein Netz im Wasser und macht einen neuen Köder an den Haken. Ich werfe den Haken aus, bevor Onkel Karl seine Angel erneut greifen kann, da ist bei mir schon wieder einer dran. Ich kurbele wie wild, er macht den Fisch vom Haken, einen neuen Köder dran, ich werfe den Haken aus, er ergreift seine Angel, wirft den Köder aus und dann ist Ruhe.“
„Ist klar, Ihr habt den See leergefischt. Ich kann mir vorstellen, der Angelveranstalter hat die Fische ausgehungert. Dann ist das Angeln schneller beendet und er kann Feierabend machen.“
„So ähnlich war das auch. Die Sonne brannte, es wurde heiß. Alle schoben Langeweile. Keiner fing mehr einen Fisch. Einige Angler packten ihre Ausrüstung ein und zogen von dannen. Aber mein Onkel dachte nicht ans Aufgeben. Nach einer Weile sagt er: ‚Der See hat einen Zulauf, ein Bach fließt hier durch. Da gibt es Bachforellen. Ich geh mal hin und fang eine.‘
OK, mach man.
Ich konnte eine Zeitlang nur noch Löcher in die Luft gucken. Ich denke, was solls, gehe ich dann auch mal Bachforellen angeln.
Wie das mit dem Fliegenfischen geht, hatte ich ja schon von ihm gelernt. Ich trottelte am Ufer lang. Am Einlauf des Baches gab es eine Uferbefestigung aus Baumstämmen. Darauf kauerte auf einem Klappstühlchen ein Opa. Der hatte wohl nichts gefangen. Der Fischschwarm war sicherlich nicht so weit geschwommen. Als er mich kommen sah, sprang er mit freundlichem Eifer auf und wollte mir den Weg freimachen. Dabei stolperte er in den Morast und ich musste ihn retten.
Am Bach war mein Onkel nicht zu sehen. Weiter wollte ich nicht nach ihm suchen. Ich kann euch sagen, jetzt kam für mich der Akt des Fliegenfischens. Ich ziehe das richtige Maß Leine von der Rolle, schwenke die Rute mehrmals, wie er es mir gezeigt hatte, und lasse im genau richtigen Augenblick die Leine ausrauschen. Ich sage euch, das war richtig klasse, wie ich das gemacht habe. Aber was ist das? Da will doch wahrhaftig ein Fisch an den Haken springen. Ich, vor Aufregung halb von Sinnen, hole die Schnur ein, ziehe das richtige Maß Schnur heraus, schwenke die Rute präzise in die entscheidende Richtung, ergreife den besten Augenblick, lasse die Schnur auslaufen und es springt eine Bachforelle, nicht sehr groß, aber immerhin schön gefärbt, weit besser als die simpel silbernen Fische vom See, an den Haken. Total aufgeregt kurbele ich die Leine ein, reiße die Angelrute hoch. Das überlange Teil ist ja keine Fliegenfisch-Angelrute. Sie verfängt sich im Baum, der Fisch zappelt an der Leine herum, schwenkt weit aus, ich greife hektisch danach, fange ihn nach vielen Versuchen, halte ihn im festem Würgegriff. Jetzt nur nicht vom Haken fallen, das glaubt mir kein Mensch, ich zerre die Rute aus dem Baum, uff, geschafft.
Die Angel in der Linken, die Bachforelle im Würgegriff in der Rechten, haste ich zurück zu unserem Angelplatz.
Der Opa mit dem Klappstuhl auf dem Baumstamm sieht mich mit der Bachforelle kommen, gibt mir einen Daumen, springt wieder auf, um mir den Weg frei zu machen, stolpert diesmal nicht wieder in den Sumpf, kann sich auf den Füßen halten. Ich erreiche unseren Platz. Ein erfahrener Nachbarangler hat mir die Bachforelle vom Haken gemacht und sie in unser Netz gelegt, das im Wasser hing.
Ich setzte mich wieder hin und guckte Löcher in die Luft. Dann kam mein Onkel Karl zurück. Der sah nicht fröhlich aus, hatte nix gefangen.
‚Da sind überhaupt keine Bachforellen drin, ich bin den ganzen Bach langgelaufen, es waren keine da.‘
´Schau doch mal in unser Netz.`
‚Ja, ja, willst jetzt den Dicken machen, Du hast zwei Fische gefangen, ist ja gut.‘
„Schau doch mal rein.´
‚Verdammte Scheiße, das nenne ich Anfängerglück. In Zukunft kannste allein angeln gehen. Wenn du dabei bist, habe ich kein Glück.‘