Man schrieb das Jahr 1274 v.Chr. Der Pharao Ramses II war von einem siegreichen Krieg gegen die Hethiter zurückgekehrt. Den König der Hethiter und alle seine Offiziere hat er als Gefangene mitgeführt und in einem Triumphzug unter Peitschenhieben durch die Stadt getrieben, um sie dann den Krokodilen zum Fraß vorzuwerfen. Bereits bei der Heimkehr kam ihm die Idee, einen prunkvollen Palast zu bauen, der von diesem glorreichen Sieg Zeugnis geben sollte.
Der Pharao hatte sich in der Schlacht gegen die Hethiter einer besonderen Kriegslist bedient. Dazu muss gesagt werden, die Ägypter kochten sich seit eh und je ihre landesübliche Biersorte. Sie war als gesundes Lebensmittel im alltäglichen Gebrauch aller Bewohner seines Landes. Auf dem Marsch zur Schlacht hatte er im Tross seiner Armee eine große Menge des Bieres mitführen lassen. Den Soldaten war damit klar, es sollte wohl ein längerer Feldzug werden. Doch der Pharao hatte etwas anderes im Sinn. Von seinen Priestern hatte er erfahren, welch besondere göttliche Wirkung in diesem Getränk steckte. Spüren konnten es die Menschen in seinem Reich auch, aber sie konnten sich diesen Zusammenhang zwischen Trinken und göttlichem Rausch nicht erklären. Der langjährige, ständige Genuss dieses Elixiers hatte eine gewisse abschwächende Gewöhnung hervorgerufen. Diese Gewöhnung fehlte den Nichttrinkernationen. Die Taktik des Pharaos bestand darin, nach der Schlachtaufstellung vor den Hethitern zu fliehen und den gesamten Biervorrat zurückzulassen. Die Hethiter kannten das Getränk nicht. Nachdem sie probiert und es für delikat befunden hatten, wurde alles an die Mannen der Armee verteilt. Es erhob sich ein Jubel im Siegesrausch und die Nacht war lang.
Am nächsten Morgen gingen die Soldaten des Pharaos in das Lager der Hethiter und nahmen den König und die Offiziere widerstandslos gefangen. Deren Soldaten wankten klagend vor Kopfschmerzen nachhause. Natürlich wollte der Pharao diese List nicht publik machen. Die Darstellung einer großen Schlacht sollte die Wände des Palastes zieren.
Ein zentraler Ort in der Stadt war das kürzlich eröffnete Biergeschäft von Essam, einem Mann mit zukunftsweisenden Ideen. Er war mitfühlend mit den Männern, die entweder keine Frau hatten, die sie mit täglichem Bier versorgten, oder mit den Männern, deren Frauen das Bierkochhandwerk nur schlecht beherrschten. Drinnen im Haus hatte er einen langen gebogenen Tisch gebaut. An dem konnten die Männer auf Hockern sitzen, während er im Zentrum stand, von dem aus alle Gäste auf leichte Weise zu bedienen waren. In dieser gemütlichen Runde haben sich stets interessante, meist geistreiche Gespräche ergeben. Das hat sich über Jahrtausende hinweg bewährt.
Draußen in seinem Garten hatte er ebenfalls Tische und Stühle bereitgestellt. Dabei konnten sich hochgestellte Persönlichkeiten in einen VIP-Bereich zurückziehen, der von Hecken umgeben war.
Teremun, der einer der Stammgäste an dem gebogenen Tisch war, berichtete von dem Triumphzug mit den gefangenen Hethitern durch die Stadt.
„Ich sage euch, es muss eine fürchterliche Schlacht gewesen sein. Die Hethiter wirkten entsetzlich niedergerungen. Sie schleppten sich wankend durch die Straßen, konnten sich kaum auf den Beinen halten.“
Maged, auch ein Stammgast, brachte ein: „Ich habe es auch erlebt. Hatte grad meinen Vetter, den Krokodilwärter, besucht. Da muss auch noch ein Zauber im Spiel gewesen sein. Nachdem die Krokodile diese demolierten Hethiter gefressen hatten, haben sie sich auch so seltsam verhalten. Sie konnten kaum richtig schwimmen. Zwei der Krokodile sind wahrhaftig ertrunken.“
„Das ist schon alles seltsam. Ich gehe morgen mal in den Tempel, wenn der Priester die Götter befragt. Vielleicht kommt dann heraus, was dahintersteckt.“
„Kennt ihr den Typen da hinten in der VIP-Lounge?“
„Ja, das ist Marik, der Architekt des Pharao. Der ist jeden Tag hier, trinkt gut und meist schläft er unterm Tisch und geht am nächsten Morgen nach Hause.“
„Wisst Ihr schon das Neueste? Der Pharao lässt in Gizeh einen Palast bauen. Er will dem Gott huldigen, der ihm in der Schlacht beigestanden hat, diesen großen Sieg zu erringen.“
„Ausgerechnet in Gizeh, da sitzt doch so eine Öko-Bürgerinitiative. Die sind gegen alle Bauvorhaben, die die Landschaft verunstalten. Das kann ja heiter werden.“
„Männer, da kommt mir die Idee: für den Bau eines Palastes braucht man Arbeiter. Ich werde mich mal gleich bewerben.“
Zu Hause berichtet Teremun seiner Frau von der Chance auf einen Arbeitsplatz.
„Was soll das denn jetzt, du willst einen Palast bauen? Du weißt doch wohl, dass der Pharao seine Arbeiter nur mit Bier bezahlt. Gibs zu, das ist jetzt wieder eine Nummer, dich nur vor der Arbeit auf unserem Feld drücken. Hier gibt es genug zu tun. Alles bleibt immer an mir hängen. Ich mach die ganze Hausarbeit, arbeite auf dem Feld, koche Bier für die ganze Familie und versorge unsere zwölf Kinder.“
„Komm Arsinoe. Das ist eine Chance für mich. Vielleicht werde ich Vorarbeiter oder Architekt, wie der Marik. Der hat den Auftrag, den Palast zu bauen.“
„Ausgerechnet der Marik. Der ist doch krank.“
„Ja, das weiß ich, der tut aber was für seine Gesundung, der geht jeden Tag zu Essams Biergeschäft und macht eine Intensivkur. Das geht so lange, bis er völlig erschöpft unter den Tisch sinkt.“
„Der macht eine Kur, dass ich nicht lache. Der ist scharf auf Bastet, die Frau vom Essam. Habt Ihr schon mal nachgeschaut, ob der allein unter dem Tisch liegt?“
„Arsinoe nun komm, lass dich nicht lange bitten. Ich kann nicht so gut zeichnen. Deine Bilder sind die besten. Male mir bitte ein Bewerbungsschreiben.“
Einige Zeit später, in Essams Biergeschäft. „Jetzt habe ich mich zum Bau des Palastes beworben und es schleppt sich dahin. Die haben große Schwierigkeiten mit der Bürgerinitiative. Diese Verrückten laufen durch die Straßen mit Schildern und schreien herum. Jetzt hat sich auch noch eine Gruppe gebildet, die wollen die Entlohnung von 5 Litern Bier am Tag auf 5,33 Liter erhöhen.“
„Richtig, da ist ganz schön was los. Der Architekt hat kaum noch Zeit, hier bei mir seine Kur fortzusetzen. Das macht einiges an meinem Umsatz aus. Auch meine Frau beklagt den Verlust. Gestern war der Sujan hier. Der ist der Besitzer von dem Steinbruch in Assuan. Der hat sich vielleicht aufgeregt, kann ich euch sagen. Er hat den Auftrag 2.124.364 Steine zu liefern. Jetzt, wo es mit dem Bau des Palastes nicht vorangeht, will der Pharao den Auftrag zurücknehmen. Aber nicht mit mir, hat er herausgetobt. Er werde die Steine liefern, egal wie das hier ausgeht. Die Bürgerinitiative hat ihm eine Fläche angewiesen, wo die Steine gelagert werden können. Diese Fläche hat vier gleiche Seitenlängen und soll ausreichen, alle Steine zu lagern. Ihr könnt sehen, da türmt sich bereits ein beträchtlicher Haufen.“
So hat sich damals alles entwickelt. Teremun hat eine Anstellung bekommen. Seine Aufgabe war es die Lieferung der Steine anzunehmen und für die sichere dauerhafte Aufbewahrung auf der Halde zu sorgen. Man konnte noch nicht absehen, wann nun endlich die Baugenehmigung für den Palast erteilt würde. Teremun dachte sich, wenn man die Anzahl der Steine bei jeder Lage verringert, wird das ein sicherer standfester Hügel werden. Der Architekt Marik hat sich in der Auseinandersetzung mit der Bürgerinitiative völlig aufgerieben und sich schließlich aus Verzweiflung in das Krokodilbecken gestürzt. Bastet, die Frau des Biergeschäftsinhabers, wirft täglich Blumen in das Becken, mit Tränen in den Augen.
Als man versucht hat, den letzten Stein der Lieferung auf die Spitze der Halde zu legen, hat das nicht geklappt. Der Stein kippte weg und rutschte die Halde hinunter. Dabei erschlug er unten den Mose, den Führer der Lohnerhöhungsgruppe. Er war dabei, ein Schild zum Streikaufruf zu platzieren. Der Pharao ist mit seinem Heer nach Süden gezogen, um einen Aufstand der Nubier niederzuschlagen. Diesmal wird er die Biertaktik nicht anwenden können. Man hat ihn informiert, dass die Nubier auch Bier brauen und dass die ihre Kampfeskraft auch nach dem Genuss von größeren Mengen dieses Stoffes nicht verlieren.
In Gizeh kehrte wieder Ruhe ein. Das Bauvorhaben Palast war vom Tisch, der Pharao hat dem Sujan die Steinlieferung bezahlt, um die Steinpyramide hat sich keiner mehr gekümmert und man saß friedlich beisammen im Biergeschäft vom Essam.
Gute Geschichte.