Ich wollte es schon immer tun. Wenn ich in der Stadt bin, einen Nachmittag im Gebiet meiner Kindheit und Jugend zu verbringen. Nun habe ich es geschafft. Ich bin in meinem alten Paradies.
Ich stelle mein Auto am Marktplatz ab, laufe los. Bin auch gleich erstaunt, wie groß die Entfernungen sind, die wir Jungen früher locker liefen.
Vieles hat sich verändert. Mein alter Stadtteil wurde zu einem Musterbauprojekt. Dafür wurde die alte Substanz abgerissen, die sogar vom Bombenkrieg verschont geblieben war.
Der Park ist noch da. Eigentlich langweilig wie damals. Dicke Bäume, gepflegter Rasen, Parkbänke. Den Hausmeister der angrenzenden Schule gibt es wohl nicht mehr. Er sah sich als Parkoberhauptmann und rannte hinter uns her, wenn wir über den Rasen liefen.
Der Park war für uns nur im Winter interessant, ein steiler Berg und zum Rodeln freigegeben. Unten ging es über die Straße bis an die Bahnlinie.
Im Sommer war man an der Ruhr. Am Weg zum Fluss gab es eine Glasfabrik. Die stellte Flaschen her. Wir konnten durch ein Fenstergitter hineinschauen, wie die Maschinen mit den glühenden Flaschen arbeiteten.
Der weitere Weg führte durch eine wilde Landschaft. Bäume, Sträucher, Wiese und Blumen wuchsen ungepflegt und wild daher. Ein Paradies für uns Jungen und die Tierwelt.
Heute ist dort ebenfalls Parklandschaft. Langweiliges, gepflegtes Grünzeug.
Zu unserem Badestrand gingen wir natürlich nicht über die Straßenbrücke. Die Eisenbahnbrücke war näher. Wir als alte Hasen hatten ein Auge darauf, ob ein Zug kam, und das andere, ob Polizei in der Nähe war.
Der Badestrand wurde zu der Zeit immer gut besucht. Menschen aller Altersklassen rekelten sich auf mitgebrachten Decken oder sprangen ins kühle Nass.
Wir hatten dort nicht nur den Badestrand. Da war auch ein Hügel, den wir Löwenberg nannten. Auf ihm gab es mehrere Bombentrichter, da konnten wir uns ungestört hineinlegen, Zigaretten rauchen oder was auch immer tun. Für den, der am Strand ein Mädchen aufgetan hatte, war das ein Ort zum Tändeln und Schmusen.
Na ja, ein Paradies eben. Leider scheint sich heutzutage keiner mehr dafür zu interessieren. Mir sind lediglich zwei Menschen begegnet. Der Badestrand ist wild überwuchert und sieht nicht so aus, als würde er noch genutzt.
Zurück am Markt sehe ich einen Jungen an der Busstation sitzen. Er klimpert auf seinem Smartphone. Ich setze mich zu ihm und frage: „Was machst du da?“
„Ich habe ein Spiel geladen, Abenteuerspiele für Jugendliche. Das ist ganz toll, was man da alles erleben kann.“
„Klingt interessant, wie geht das denn?“
„Ich kann eine Umgebung wählen, zum Beispiel einen Park. Mit der S-Taste kann ich mir einen Schlitten holen und dort rodeln. Mit Alt + G kann ich eine Fabrik erstellen. Zum Beispiel eine, die Glasflaschen herstellt. Mit I kann ich in das Innere schauen, wie die Maschinen arbeiten. Oder ich gehe an den Fluss zum Schwimmen. Dort kann ich mir mit B ein Boot holen und auf dem Fluss rudern.“
„Wir haben ja hier einen Fluss, möchtest du denn nicht lieber dort hingehen und rudern?“
„Nein, das nicht. Meine Mutter ist froh, dass ich das Spiel habe. Die sagt, das sei alles zu gefährlich. Sie war früher oft auf einem Hügel, den man Löwenberg nannte. Sie meinte, ich wäre irgendwie damit verbunden. Hab aber nicht verstanden, was sie damit sagen wollte. Sie war auch im Fluss schwimmen. Das war noch, bevor Baywatch erfunden wurde. Fast wäre sie ertrunken. Aber die anderen Badegäste haben sie gerettet.“
Er zeigt mir noch etwas. „Wenn ich Alt + B + W drücke, kommt eine üppige Blondine mit großem Busen im roten Badeanzug gelaufen und rettet mich.“
Er lacht mich spitzbübisch an.