Zwei Brötchen bitte

„Moin Walter.“

„Moin Werner, wie geht‘s?“

„Ach, so lala. Zwei Brötchen bitte.“

„Wieso nur zwei? Du hast doch sonst morgens immer vier gekauft?“

„Nee, jetzt nur noch zwei. Meine Annette ist abgehauen.“

„Was? Das sah bei euch doch immer so gut aus. Wo ist sie denn hin?“

„Zu dem Fritz da hinten, bei dem Schwimmbad.“

„War sie wohl nicht mehr zufrieden mit dir?“

„Iss wohl so, ich habe nichts bemerkt. Ich kann mir auch nicht vorstellen, was der Fritz besser kann als ich.“

„Sag mal, was ist denn bei dir gegenüber los, bei Franz und Ilona? Man hört ja so manches.“

„Ja, da hat es gestern ordentlich gekracht. Sein neuer Mercedes stand demoliert vor dem Haus. Ilona war damit zum Markt gefahren und ist gegen das neue Toilettenhaus gekracht.“

„Au au, Franz und sein Auto, ich versteh alles. Aber die Ilona war bestimmt gar nicht schuld. Das Toilettenhäuschen ist am Markttag davor noch nicht da gewesen. Also hat sie das nicht wissen können.“

„Ist mir auch egal, trifft ja keinen Armen. Dann gib mir mal die Brötchen.“

„Geht nicht so einfach. Die in Europa haben mir zwei so Formulare geschickt, eins zur Registrierung und Datenerfassung und eins zum Datenschutz nach DSGVO. Das muss jetzt jeder Kunde ausfüllen. Sonst darf ich die Brötchen nicht rausrücken.“

„Haben die in Europa nix Besseres zu tun? Gib mal her.

Was soll das denn hier sein? Die Formulare kenne ich schon. Habe in den letzten zwei Wochen schon zehn Mal sowas ausgefüllt. Und jetzt auch bei dir? Jetzt sag mir mal, wozu Du meine Gesundheitsdaten, Krankenkasse, Hausarzt, Telefonnummer und das alles überhaupt brauchst?“

„Das habe ich die auch gefragt. Haben sie mir auch erklärt. Das alles ist zur Sicherheit von Leib und Seele und zur Datensicherheit. Ich muss mir jetzt auch noch einen neuen Computer kaufen, damit ich das alles sicher abspeichern kann.

Stell dir mal vor, meine Brötchen sind übers Datum und die Kunden vergiften sich damit. Da kann ich dann, wie die das mit den Autos machen, eine Rückrufaktion starten. Weil ja die Brötchen eher nicht zurückgegeben werden, muss gleich der Rettungswagen rausfahren. Die Rettungswagen müssen ihre Ausstattung an die Kundendaten anpassen. Dazu brauchen sie deine Größe, Alter und Gewicht.

So ein schlankes siebzehnjähriges Mädchen braucht eine kleinere Trage und schwächere Träger als so ein Alter, der auch noch so dick ist wie Du. Das kannste alles in den Europanormen nachlesen.“

„Ist doch Quatsch, Du backst doch immer jeden Morgen frisch.“

„Quatsch ist das überhaupt nicht, denk doch mal an die Umwelt. Es gibt die leichteren Rettungswagen, die wenig Sprit verbrauchen und die schwereren für Leute wie dich.

Überlege mal, das mit dem Datenschutz: wie soll ich deine Daten schützen, wenn ich sie nicht habe? Darum die Registrierung mit allen Daten, die dich betreffen. So macht das Ganze schon Sinn.“

„Und wie ist das mit dem, was Du hier verkaufst? Ist das alles geschützt? Gilt das auch für Mehl oder nur für Brötchen?“

„Ich habe eine Liste bekommen, da stehen alle Waren drin. Bei Brötchen bin ich mir ganz sicher. Ich schau mal nach. Nee, Mehl ist nicht aufgeführt.“

„Gut, dass die das vergessen haben. Gib mir mal Mehl, Zucker, Salz, Hefe usw. Ich backe mir die Brötchen selbst.“

„Na, denn beeil dich mal. So, was man hört, arbeiten die in Europa an einer Richtlinie fürs Backen in Privathaushalten.“

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